Frei wie ein Vogel. Dank Reformation.
Ob gefiederte Mitgeschöpfe freier als andere leben? Erdenschweren Zweibeinern erscheint es manchmal so. Vögel fliegen unangeschnallt, ohne aufwendige Hilfsmittel; deshalb folgen sehnsuchtsvolle Blicke ihren Flugbahnen ebenso wie schwarmintelligente Formationen Staunen erregen. Seht die Vögel unter dem Himmel…(Mt 6,26). Therapeutisch-freiheitlicher Flügelschlag Jesu, auf dass wir auffahren mit Flügeln wie Adler (Jes 40,31).
Für "vogelfrei" wurde Martin Luther durch das Wormser Edikt am 8. Mai 1521 erklärt. Eine umgangssprachliche Bezeichnung für die Reichsacht, die Kaiser Karl V. über ihn verhängt hatte. Niemand durfte ihn beherbergen; und jeder, der es vermocht hätte, hätte ihn nach Rom ausliefern sollen. Nach damaligem Recht war dies eine Folge unter anderem der bereits im Januar 1521 erfolgten Exkommunikation Luthers. Bekanntlich nutzen Martin Luthers Unterstützer die Gelegenheit, ihn vorsorglich selbst zu entführen und auf der Wartburg in Sicherheit zu bringen. Ein goldener Käfig, in dem Luther sich die Freiheit nahm, unter dem Decknamen Junker Jörg, die Bibel ins Deutsche zu übersetzen. Insoweit gehört es zur Freiheit, sich dem Leben - und damit auch dessen Risiken - auszusetzen und ihm ausgesetzt zu sein. Inmitten zivilisatorischer Eingebundenheit und umfangen von Absicherungssystemen westlicher Moderne erinnern die namensgebenden Vorbilder aus der Natur daran. „Freiheit und Bindung bedingen einander“, sagt Falknerin Ingrid Koch, die Presse-Patin unseres Aufklebers. Martin Luther brachte dieses Spannungsverhältnis mit den berühmten Worten auf den Punkt: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“ Luther zufolge besteht die Pointe darin, dass die beiden auf den ersten Blick sich „stracks“ widersprechenden Behauptungen zugleich gelten. Auch wenn das, was wir heute unter „Freiheit“ verstehen, sich erheblich von dem unterscheiden dürfte, was Menschen des 16. Jahrhunderts dafür hielten, so ist Freiheit bis heute eine der zentralen reformatorischen Anliegen geblieben; geht es doch stets darum, sich vom Evangelium aus unterschiedlichen Arten von "Gefangenschaft" herausrufen zu lassen: „ Zur Freiheit hat euch Christus befreit…so steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!“ (Paulus an die Galater 5,1). Johannes Ahrens, Stadtpastor Flensburg Link: https://www.luther2017.de/de/reformation/und-gesellschaft/muendigkeit-freiheit/die-freiheit-eine-erfindung-martin-luthers/ Gut gesagt:
„Die Freiheit, die in Christus allen Menschen in gleicher Weise eröffnet ist, trägt den Charakter eines unverdienten Geschenks. Auch wenn Freiheit als große Verheißung der Moderne erscheint, muss sie doch immer wieder aus ihren biblischen Wurzeln als geschenkte Freiheit verstanden werden. Sie befreit von der Selbstbezogenheit und macht dazu frei, dem eigenen Gewissen zu folgen, dem Nächsten zu dienen und der Freiheit in Kirche, Gesellschaft und Staat Gestalt zu geben. Wer die Unfreiheit in sich selbst zurücklassen kann, wird frei zum Lob Gottes wie zum Einsatz für den Nächsten. Dass Christen allen Dingen frei gegenübertreten können, bewährt sich gerade darin, dass sie aus freien Stücken Diener sein können. Gerade weil Gott jedem Menschen den aufrechten Gang schenkt, kann jeder Mensch die Knie beugen: zum Gebet zu Gott wie zum Einsatz für den Nächsten. Darin finden wir bis heute die reformatorische Grundlegung für eine Verantwortung aus Freiheit und für die Freiheit. Sie schließt das Bemühen um die Bewahrung und Entfaltung der Freiheit ein – und zwar der eigenen ebenso wie der fremden Freiheit Wolfgang Huber, Glaubensfragen, München 2017, S. 16 |