Fehlbar. Dank Reformation.
Menschen machen Fehler - vor, während und nach der Reformation. Da hat sich wohl nichts geändert.
Bei "fehlbar" geht es um etwas anderes. Es geht um die Frage, ob Menschen mit Ihren Meinungen oder Institutionen mit ihren Lehr- und Leitsätzen allgemein- und endgültige Wahrheiten festlegen können. Martin Luther stellte sich mit seinen Anschauungen gegen die Tradition seiner Kirche und behauptete, dass Konzile und auch der Papst sich irren könnten, was im papsttreuen Teil der Kirche heftigsten Widerstand hervorrief. 1870 wurde die päpstliche Unfehlbarkeit als Dogma der Katholischen Kirche festgehalten, "wenn er (der Papst, i.g.) in seinem Amt als „Lehrer aller Christen“ (ex cathedra) eine Glaubens- oder Sittenfrage als endgültig entschieden verkündet". [wikipedia]. Nach protestantischer Überzeugung hingegen können wir Christen uns in Glaubensdingen nicht vertreten lassen und sind unserem Gewissen verpflichtet; mit der Konsequenz uns auch irren zu können. Interessant finde ich einen Vergleich mit der politischen Rede von der "Alternativlosigkeit". Maßen sich die entsprechenden Redner*innen nicht auch eine Unfehlbarkeit für ihre vorgeblich einzig mögliche, damit wahre Position an? Ist diese Rede von der Alternativlosigkeit nicht zutiefst undemokratisch? Schließlich soll sich der Austausch von Argumenten, die Auseinandersetzung über den besten Weg, schließlich jeder Interessenausgleich erübrigen - soll alles im "alternativlos" der Redne*rin erhalten sein, entschieden durch sie/ihn.. Wohin das führen kann, wenn Menschen für andere denken und entscheiden wollen, wenn Menschen andere für sich denken und entscheiden lassen, ist in unserer deutschen Geschichte mit einem besonderen Hang zur "Pflichterfüllung" abzulesen. Und noch etwas: Ich finde es entlastend, wenn ich mich zwar um eine eigene Meinung und Entscheidung (!) bemühen soll, aber letztlich nicht die ganze Last ewiger Wahrheit und Perfektion tragen muss. Ingo Gutzmann |